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Werner Spicker erinnert sich an die Arbeit bei der Organisation Todt und an die Invasion und Folgen

Die Deportation erfolgte am 5. 04. 1944 nach Valognes - Normandie. So erging es mehr als 10.000 Personen verschiedener Herkunft. Wir wurden von Dresden im verschlossenen Zug nach Paris gebracht. Nach Erhalt von Arbeitskleidung ging es weiter in das Gebiet Cherbourg. Unter Anleitung der Organisation Todt sollten wir Zementabschussbahnen bauen. Von diesen aus sollte England, 42 km nur entfernt, bombardiert werden.

Die Zementrampen wurden jedoch von englischen Flugzeugen stets vernichtet.

Während der Angriffe konnten wir mit französischen Bauern Kontakt aufnehmen. Die wussten wer wir waren. In den 2-3 Stunden Aufenthalt bei den Bauern erfuhren wir, wie die Lage an den Fronten aussah. Wir bekamen Hinweise, den Zement über Nacht draußen zu lagern, damit er unbrauchbar würde.

Am Juni 1944 erlebte ich die Invasion der Alliierten. Der Angriff zu Land, von den Schiffen aus sowie aus der Luft durch Fallschirmspringer erfolgte mit unvorstellbarer Wucht. Am Tag nach dem Hauptangriff mussten wir als Hindernis Gräben ausheben. Es wurde uns klar, dass die Nazis uns auf diese Weise loswerden wollten. Wir Deportierten sollten alle an die Front geschickt werden, so bräuchten die Nazis sich selbst keine Finger schmutzig zu machen.

Durch Flugblattabwurf erhielten wir Kenntnis wo die Amerikaner Brückenköpfe und Dörfer in ihrer Hand hatten. Das nächste Dorf war nur ca. 2 km entfernt.

Um keinen Fronteinsatz zu erleben, flohen mein Kumpel Peckermann und ich in der Nacht zu dem Dorf.

Beim ersten Gespräch mit einem amerikanischen Offizier stellten wir fest, dass sie über unsere Arbeitslager Bescheid wussten.

Wenn wir auch keine Soldaten waren, mussten wir 2 Tage tote deutsche Soldaten begraben. Die Amerikaner begruben ihre Toten Soldaten selbst.

Nach 3 Tagen wurden wir und alle gefangenen Soldaten mit Schiffen der Typen "Victory" und "Lyberty" nach England gebracht. Übernachtung erfolgte in Zelten in einem Sportforum in London. Von einer Hafenstadt wurden wir im Schiffsgeleitzug nach Amerika transportiert. In New York erfolgte die Aufteilung in verschiedene Lager. Ich kam mit einigen Lagerinsassen von der Normandie nach Illinois, in die Nähe des Automobilwerkes General Motors. Unser Camp Ellis hatte ein Antifa-Lager. Ich meldete mich mit weiteren Kameraden sofort zur Aufnahme.

Das Lager wurde von Österreichern geführt. Die haben so getan, als hätten sie nie mit Nazis zu tun gehabt. Sie haben sich nicht immer korrekt verhalten. In den 2 Jahren Lageraufenthalt habe ich verschiedene Arbeiten verrichtet. Es gelang mir, in einer Küche zu arbeiten, wo wir Ärzte und Schwestern zu bedienen hatten. Durch genehmigte Mitbringsel konnten wir unseren Kumpels manch Gutes zustecken.

Die Amerikaner haben uns, solange Krieg war, korrekt behandelt. Nach Kriegsende wurde es weniger freundlich. Das Essen wurde knapper, und das Verhalten zu uns frostiger. Wir als Antifaschisten konnten ja Kommunisten sein, was gar nicht in ihrem Sinne war.

1946 wurde das Lager geschlossen. Wer nach Ostdeutschland heim wollte, musste noch in einem Bergbau arbeiten. Die nach dem Westen wollten, konnten sofort die Heimreise antreten. Ich meldete mich nach Hof. In Deutschland wurden wir von Bad Eiblingen aus entlassen. 1946 kam ich nach Chemnitz zurück. Unsere Wohnung - Annenstraße 20 - war völlig ausgebrannt. Wir wohnten dann bis zum Tod meiner Mutter in Hilbersdorf.

Mein Vater kehrte aus dem KZ Theresienstadt zurück und meine Mutter hatte die Zwangsarbeit auch überstanden.

Ich habe nach dem Erlebten in der Nazi-Zeit in Chemnitz am Wiederaufbau teilgenommen. Als Antifaschist bin ich der SED beigetreten und habe als politischer Mitarbeiter in der Stadtleitung bis zur Invalidisierung 1979 gearbeitet.

Juni 2014

Werner Spicker

Welche Erinnerungen hast Du aus der Zeit vor Deiner Deportation und wie erlebtest Du Chemnitz?

Unsere Familie wohnte bis zur Bombardierung in der Annenstr. 20, vorher in der Brauhausstraße. Übrigens, das Haus 20 wurde völlig zerstört und die 22 nur beschädigt. Im Haus 22 der Annenstraßehatte die Wäscherei Feigenspahn ihren Sitz. Als Junge war ich oft in der 22, denn dort wohnte der damals bekannte Fußballspieler Erwin Helmchen, der als schussgewaltiger Mittelstürmer oft in die Sachsenauswahl berufen wurde. Er war starker Raucher und ich habe für ihn Zigaretten geholt, bekam dafür die in den Schachteln liegenden Zigarettenbilder. Das waren teils farbige Bilder zu bestimmten Themen, die man in entsprechenden Text-Alben an dafür freien Stellen klebte. Ich wurde zum Sammler und war oft auf dem „Alten Friedhof“, wo sich jetzt das VVN-Denkmal befindet. Wir tauschten dort Zigarettenbilder, spielten Fußball und auch viele Arbeitslose spielten dort Karten und Schach. Das Fußballspielen war dort allerdings verboten. Ein Junge musste immer spannen und wenn die Polizei kam, flohen wir in alle Richtungen um nicht erwischt zu werden. Wurde man mehrmals von der Polizei festgenommen gab es harte Strafen. Durch das Sammeln und Tauschen der Zigarettenbilder war man bemüht alle Bilder für ein Album zu bekommen und anzulegen. Ich bin froh ein Album mit Bilder von der Olympiade 1932 gerettet zu haben. Ich brachte dieses Album zum Haus meiner damaligen Freundin und späteren Frau nach Reichenbrand. Ein weiteres Album „Schöne deutsche Städte“ ist in der Annenstraße 20 1945 mit verbrannt.

Was habt ihr als ältere Jungen nach der Schulzeit noch unternommen?

Ich kann mich noch gut erinnern, wie vor dem 2. Weltkrieg die Straßen, Plätze und Geschäfte belebt waren. So zum Beispiel besuchten wir oft das Geschäft für „Märklin Kleinbahnen“. Dort drückten wir uns an den Schaufenstern die Nasen platt. Auch am „Bleile-Geschäft“, wo es nur teure Waren gab, blieben unsere Wünsche unerfüllt. Im „50-Pfennig-Laden“ Wollworth neben dem Kaufhaus Tietz dagegen konnten auch die meist armen Familien sich etwas kaufen.

Erinnern kann ich mich auch, dass ich als Schuljunge mir etwas Taschengeld verdiente, indem ich als Bote und „Putzfrau“ im Buchbinderladen am Bernsbachplatz arbeitete. Da bekam ich am Nachmittag einen „Blümchenkaffee“ und ein Brötchen. Das war eine kleine Entlastung für meine Familie, denn ich erhielt für eine Woche 3 Reichsmark.

 

Gut weiß ich noch, dass am Falkeplatz eine Spielstätte (Halle) war. Diese war auch von Arbeitslosen wegen der Billard-Tische, die dort standen, gut besucht. Ich erlernte auch das Billardspiel. Für wenig Geld konnte man dort essen und trinken und im Automat „Adler“ konnte man sich schon für 20 Reichs-Pfennige selbst bedienen. Man hatte die Wahl zwischen einen Getränk, belegten Brötchen oder Süßwaren. Mehr konnte man auch bei den Hungerlöhnen nicht ausgeben.

Wie sah Chemnitz aus, als Du wieder hier warst?

Als ich 1946 nach Chemnitz zurückkehren konnte, wohnten meine Eltern in Hilbersdorf. Im Herbst 1946 besuchte ich das Reitbahnviertel, mein ehemaliges Wohngebiet. Trotz Aufräumarbeiten war dieses Viertel und die ganze Innenstadt ein Ruinengebiet. Ich stand vor unsern Wohnhaus Annenstraße 20, das völlig ausgebombt war, und es tat mir leid, dass die wenigen Habseligkeiten, die ich dort zurückgelassen hatte, kaputt und verbrannt waren.

In unserer Wohnung hier in der Annenstraße gehörten uns keine Möbel. Es war eine sogenannte „möblierte Wohnung“. Alles war von den Vormietern abgewohnt und wie man sagt „heruntergekommen“.Man kam vom Hausflur direkt in die kleine Wohnküche, .mit anschließenden Schlafzimmer, wo nur 2 Betten gerade Platz hatten. Das „Örtchen“ war eine halbe Treppe tiefer. Die Hausbewohner waren uns gegenüber unfreundlich. Guten Kontakt jedoch hatten wir mit der italienischen Familie Rosatelli.

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